Aufdeckung und Prävention von sexualisierter Gewalt gegen männliche Kinder und Jugendliche

Etwa die Hälfte bis zwei Drittel aller Fälle von sexualisierter Gewalt werden laut bestehender Forschung entweder gar nicht oder erst im Erwachsenenalter aufgedeckt. Da die meisten Aufdeckungen innerhalb des privaten Bereichs geschehen, bleiben die Informationen über die sexualisierte Gewalt oft im Dunkeln. Nur wenige Missbrauchsfälle werden institutionell behandelt, etwa durch Strafverfolgung, Jugendämter oder medizinisch-psychologische Dienste. Pädagogische Institutionen verschweigen oft die Fälle, die ihnen bekannt werden und vermeiden eine Aufarbeitung. Die sichtbaren Fälle bilden nur die Spitze des Eisbergs.

Männliche Kinder und Jugendliche machen polizeilichen Kriminalstatistiken zufolge etwa ein Viertel der kindlichen und jugendlichen Opfer sexualisierter Gewalt aus. Immer wieder erfahren Jungen und männliche Jugendliche, dass ihnen nicht zugetraut wird, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, so dass eine Aufdeckung solcher Erfahrungen mit besonderen Hürden verbunden ist. Für sie ist der schwierige Weg zur Aufdeckung von potenziell anderen Widersprüchen und Barrieren geprägt als dies für Mädchen und junge Frauen der Fall ist.

Die Forschung im Rahmen des Projekts blickt daher auf Aufdeckungsprozesse bei sexualisierter Gewalt gegen männliche Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, dass diese Prozesse früher, häufiger und in für die Betroffenenpositiveren Weisen geschehen können als bisher. Anhand einer Rekonstruktion von Aufdeckungsprozessen aus möglichst mehreren Perspektiven sollen deren Dynamiken aufgezeigt und heilsame Faktoren herausgearbeitet werden.

Dafür wurden erstens Interviews mit Professionellen aus den unterschiedlichen Feldern der Beratungs- und Wissenschaftspraxis durchgeführt. Ziel dieser Interviews war es, spezifisches Wissen zu Aufdeckungsprozessen bei Jungen und deren professioneller Begleitung zu sammeln und Hinweise zu offenen Fragen und Bedarfen im Themenfeld zu erhalten.

Zweitens wurden biographische Interviews mit männlichen Betroffenen geführt, die den Kern des Projekts bilden. Interviewt wurden Männer, denen als Kinder oder Jugendliche sexualisierte Gewalt widerfahren ist und die sich inzwischen offenbart haben, zu ihrem Weg zur Aufdeckung der Gewalttaten. Ziel war die Erforschung der Bedingungen, die es den Interviewpartnern erleichtert oder erschwert haben, ihre Missbrauchserfahrungen so aufzudecken, dass ein Heilungsprozess unterstützt wird.

Zusätzlich haben wir drittens – auf Empfehlung der von sexualisierter Gewalt betroffenen Personen – Interviews mit an Aufdeckungsprozessenbeteiligten Personen durchgeführen und dabei ebenfalls jene Faktoren beleuchtet, die zu einem gelingenden Aufdeckungsprozess beitragen. Die Interviews mit betroffenen und beteiligten Personen wurden unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Perspektiven zu Fallstudien zusammengefasst. Die Anonymität aller beteiligten Personen wurde dabei gewahrt.

In der Studie wurden Bedingungen berücksichtigt, die der bisherigen Forschung zufolge das Risiko erhöhen, sexualisierte Gewalt zu erleben: das Vorliegen einer Beeinträchtigung oder Behinderung, das Aufwachsen in einem patriarchal-autoritären Umfeld sowie das Erleben von Partnerschaftsgewalt im familiären Kontext.

Durchführungszeitraum: 

Januar 2013 to Januar 2016

Forschungsbereich: